„Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist…“

So fühle ich mich manchmal. Es gibt Menschen, die schaffen es, dass man sich als Egoist fühlt, obwohl der andere gerade egoistisch handelt. Ich nehme sehr viel Rücksicht auf andere, oft zu viel Rücksicht und ich leide darunter. Nicht nur seelisch, sondern vor allem körperlich. Dabei verlange ich nur einen Bruchteil der Rücksicht, die ich auf andere nehme. Ich muss mich leider an gewisse Spielregeln halten, die nicht ich, sondern mein Körper für mich aufgestellt hat. Das geht in erster Linie mir selbst auf den Kranz, aber ich weiß nun mal ganz genau, was mir bei Missachtung blüht. Andere finden das übertrieben und belächeln es, aber die müssen ja auch nicht unter meinen Schmerzen leiden.

Zwei riesen Themen, bei denen ich immer mit anderen aneinander gerate sind Essen und Einkaufen.

 

Essen

Wegen meiner Migräne habe ich mich mit meinen Ärzten sehr viel über dieses Thema unterhalten und sehr viel ausprobiert. Das Gute ist, ich habe keine Histaminunverträglichkeit, von der eigentlich sofort alle ausgehen, wenn sie Kopfschmerzen und/oder Migräne hören. Allerdings vertrage ich viele Konservierungs-, Zusatz-, Duft-, Farbstoffe etc. (also so ziemlich alles künstlich hergestellte) nicht. Zunächst bin ich dann im Supermarkt auf Bio-Produkte ausgewichen, aber es wurde nicht besser. Also musste ich schmerzhaft erfahren, dass Bio nicht gleich Bio ist. Zum Glück hat hier ein Bio-Supermarkt eröffnet. Dieser hat jedoch andere und vor allem kürzere Öffnungszeiten. Dazu später mehr.

Migräne-Patienten „unterzuckern“ schnell. Wenn ich also Hunger spüre, ist es fast schon zu spät und ich sollte am besten schon etwas Essbares runtergeschluckt haben. Somit muss ich planen. Ich frage mich also ständig, wie mein Hungerstatus ist, was wir essen wollten und wie lange die Zubereitung dauert, damit ich keine Probleme bekomme. Kommt dann etwas dazwischen, bekomme ich Probleme, große Probleme. Als normaler Mensch ist es kein Problem, sein Essen mal zu unterbrechen und zu verschieben. Bei mir ist das eine mittlere Katastrophe und ich kann froh sein, wenn mir davon nur schwindelig wird und ich nur leichte Kopfschmerzen bekomme. In schlimmeren Fällen geht es bei mir von heftigen Magen-Darm-Schmerzen bis zur Mörder-Migräne; ach ja, Ohnmachtsanfälle nicht zu vergessen. Lustig ist das überhaupt nicht, aber trotzdem wird man von der Außenwelt nicht ernst genommen.

Wenn wir schon beim Zucker sind; wusstet ihr, wo überall Zucker drin ist? Es ist unfassbar! Ich habe für mich herausgefunden, dass ich höchstens 2-3 Teelöffel Zucker pro Tag konsumieren sollte. Das entspricht einem Hauch Zucker für den Morgenkaffee + ein nicht so süßes Stück Obst. Möchte ich mehr Süßes essen, dann kommt Honig in den Kaffee, welcher in Sachen Kopfschmerzen bei mir komplett außen vor ist, obwohl es ja auch eine Art von Zucker ist. Fruktose spielt ebenfalls eine untergeordnete Rolle, wobei ich festgestellt habe, dass eine Schüssel Obstsalat an manchen Tagen für mich auch nicht funktioniert. Letztens habe ich eine interessante Doku gesehen, in der gesagt wurde, dass der Durchschnittsdeutsche pro Tag 11(!!!) Teelöffel Zucker zu sich nimmt. Heftig, oder? Der Durchschnitt! Das heißt, dass darunter welche wie ich sind und welche, die noch viel mehr konsumieren. Den Großteil macht dabei der versteckte Zucker aus; denn wer rechnet schon damit, dass in seiner Scheibe Wurst Zucker enthalten ist?!

Auswärts bin ich auch die meiste Zeit mit mir beschäftigt. Also nicht böse sein, wenn ich mal kurz abwesend wirke. Ich muss überlegen, was so alles in „normalem“ Essen stecken könnte, was ich davon an diesem Tag vertragen könnte und welche Mengen ich mir zumuten kann. Das ist ganz schön anstrengend, schließlich bin ich weder Biochemiker, noch Lebensmitteltechniker. Viele chemische Stoffe entgehen mir aber schon allein dadurch, dass sie nicht deklariert werden müssen, obwohl Unverträglichkeiten bekannt sind. Ärgerlich!

 

Einkaufen

Wie erwähnt hat unser Bio-Supermarkt keine gewöhnlichen Öffnungszeiten. Am Samstag hat er zum Beispiel nur von 10-14 Ihr geöffnet. Ein weiteres Samstags-Problem ist das kleine Angebot. Da ökologisch korrekt gehandelt werden soll, ist am Samstag eben nur noch das da, was da ist. Meist ist das kein Problem, da wir sehr flexibel sind, aber wenn ich das Gefühl habe, dass mir etwas fehlt und das ist dann nicht da, dann ist das schon doof. Abgesehen davon ist es samstags immer ziemlich voll. Klar, da müssen fast alle einkaufen gehen.

Da ist es für mich besser, wenn wir unter der Woche einkaufen und das am besten noch zu bestimmten Uhrzeiten, an denen es nicht ganz so voll ist. Natürlich klappt das nicht immer, weil arbeitstechnisch ständig etwas dazwischen kommen kann. Allerdings kann mich das schon wieder vor das nächste Problem stellen. Schaffen wir es noch zu einer „nicht vollen Zeit“, würde ich auch ein paar mehr Menschen im Laden „überleben“ oder muss Mann allein los? Selbstverständlich würde ich ihm gerne immer beim Einkauf helfen, aber manchmal sagt mir schon mein Gefühl, dass das in diesem Moment nicht funktionieren würde. Und ich habe immer Recht! Wenn Mann dann nach dem Einkauf nach Hause kommt, fällt in solchen Situationen immer sein Stereotypensatz, dass es richtig war, nicht mitgekommen zu sein, denn ich wäre wohl aus dem und dem Grund geflüchtet. Ja, mit der Zeit hat er ein sehr gutes Auge für Situationen entwickelt, die mir nicht gut tun; das hilft mir sehr.

Den größten Beitrag dazu, dass ich überhaupt noch in einen Supermarkt gehe, leistet aber unser Bio-Supermarkt selbst. Dort sind die Gänge schön breit, sodass man eigentlich gar nicht angerempelt werden kann. Die Regale sind nicht zu hoch, damit ich immer alles im Blick haben kann. Es läuft keine Musik, wodurch sich Mitarbeiter und Kunden auch viel ruhiger Verhalten und leiser unterhalten. Noch ein großes Plus ist, dass es nach nichts riecht. Es gibt Tage, an denen ist meine Nase so sensibel, dass ich nur mit Wasser duschen kann, weil sämtliche Duschgele und Shampoos zu stark riechen. An solchen Tagen kann ich auch nur neutrale Sachen trinken und essen. Erst fühlen sich die Gerüche nur unangenehm an, dann fängt irgendwann meine Nase an zu brennen und dann kommt ein merkwürdiger, stechender Schmerz hinzu.

Als wir mal notgedrungen in einen normalen Supermarkt mussten, weil wir etwas vergessen hatten, wollten wir nur noch rennen! Es war laut, überall hat es nach etwas gerochen und die Mischungen aus Warenduft, künstlichem Duft und Kundenduft waren unerträglich. Das Licht war grell, die Gänge eng und ständig mit Aktionswaren versperrt, die Regale waren für mich viel zu hoch und alle bewegten sich hektisch. Nein, alle rannten fast mit ihren Wägen durch den Markt und rempelten dabei ständig andere Kunden oder Regale an. Aus Marketing-Sicht ist das alles plausibel und richtig, aber schön ist anders! Wir waren jedenfalls heilfroh, als wir endlich wieder draußen waren. Ja, „wir“, denn Mann empfand dieses Einkaufen auch als sehr unangenehm.

 

Ich bin schon kompliziert… Leider habe ich keine andere Wahl, denn wenn ich mein Verhalten „normalisiere“ (dem anpasse, was als normal und gesund gilt) heißt das für mich SCHMERZEN.

2 Gedanken zu „„Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist…“

  1. Sandra sagt:

    Ich weiß was du meinst. Manchmal fühle ich mich auch wie der egoistischste Mensch der Welt. Dabei haben wir uns das ja nicht ausgesucht.
    Und ich erwarte ja auch nicht, dass sich jemand nach meinen Bedürfnissen richtet, sondern bloß dass der engste Kreis versteht, dass ich mich nicht einfach ihnen zuliebe normal verhalten kann.
    Ich habe an manchen Tagen große Probleme mit fremden Menschen und gehe dann gar nicht oder nur kurz zu Partys, zu denen meine Freunde auch mir unbekannte Leute einladen. Können meine Freunde nicht verstehen. Bleibe ich länger, ziehe ich im besten Fall ein Gesicht oder kriege im Worst Case einen Panikanfall.
    Wg. meines seit kurzem kaputten Rückens muss ich sehr vorsichtig sein. 30 Min. Auf einem unbequemen Stuhl oder bei der Kosmetikerin 1 Std. flach auf dem Rücken liegen geht leider nicht. Also muss ich mein Festivalticket für den Sommer verkaufen. Ich hatte mich so gefreut. Jetzt gelte ich als Prinzessin, die sich zu fein zum Zelten ist.
    Ich vertrage viele Lebensmittel wie z.B. Kaffee nicht. Ich erwarte keinen Spezialkaffee und bringe mir auch nicht demonstrativ eigenen mit. Aber ist es denn so schlimm, wenn ich eine Tasse auf der Familienfeier dankend ablehne?
    Ich habe doch auch Verständnis für meine Freunde, die Veganer, Vegetarier, laktoseintolerant, schwanger, allergisch oder einfach penibel sind. 🙁

    • Stil Helferin sagt:

      Da stimme ich dir zu! Viele können unsere Probleme leider nicht verstehen und es gibt auch Personen, die das einfach auch nicht wollen. Psychische Erkrankungen kann man leider nicht sehen und damit haben viele Leute ein sehr großes Problem. Man kann einfach nicht plausibel erklären, was da gerade im Kopf vor sich geht, denn das, was da passiert, ist niemals plausibel. Wäre zB. eine Panikattacke für alle offensichtlich und erklärbar, dann gäbe es auch ein allgemein gültiges Heilmittel dafür. Ähnlich ist es mit einer Migräne. Es gibt so viele verschiedene Formen, so viele Auslöser und noch viel mehr Unbekannte in der „Migräne-Gleichung“ –> man kann die Gleichung nicht lösen, aber viele aus dem Umfeld verlangen es.
      Ich gewöhne mir langsam an, einfach locker zu bleiben, die Ohren an gewissen Stellen auf Durchzug zu stellen und mein Ding durch zu ziehen. Was soll ich auch machen, ich habe keine andere Wahl. Wie du schon sagst, wir haben uns unsere Erkrankungen und die damit verbundenen Probleme nicht ausgesucht und wir haben daran immer noch am meisten zu knabbern. Wir haben uns unser Leben und vor allem unsere Zukunft auch anders vorgestellt…
      Ich wünsche dir ein schönes und sonniges Wochenende! 🙂

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